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PETER DUKA
 
Die andere Seite der anderen Seite
 
September 6th to November 1st 2014
 
Peter Duka
 
Peter Duka
 
Die andere Seite der anderen Seite
"Das weiß ich und schreie also nicht, um Hilfe herbeizurufen." Franz Kafka, Der Jäger Gracchus
 
Um illusionistische Räume handelt es sich bei diesen Bildern nur bedingt. Figuren sind schemenhaft und Landschaften kulissenhaft. Tiefe verschwimmt im Dunst. Auch auf die Motive ist kein Verlaß. Bäume werden zu Häusern, Häuser zu Gesichtern. Wo man ikonographische Hilfen gereicht bekommt, oder verbale Anteile in literarischen Verweisen oder sprichwortartigen Weisheiten vermutet, wird die Lesbarkeit gerade nicht erhöht. Man wird zum Zeugen, wie sich die Symbolik unter den Augen auflöst, sich die Figuren fröhlich ins symbolische Abseits setzen.
Die inkonsistenten Bildmotive sind zudem überzogen von Gekrakel, von Formfragmenten, die nicht so weit präzisiert werden dürfen, daß sie - wie ein verbalisierter Gedanke oder ein hinreichend vollständiger sinnvoller Satz - eine Anschluß- oder Ablehnungsfähigkeit erzeugen würden.
Die Elemente werden in ihrer Wiedererkennbarkeit gerade eingeschränkt, um eine Funktion als Mittel der Selbstbeschreibung des Kunstwerks ausfüllen oder anstreben zu können. Die Einschränkungen könnten den Sinn haben, auf das hinzuweisen, was durch einen präzisen Sinn ausgeschlossen würde. Dank des Gekrakels spielt die andere Seite der Form mit, die als "unmarked space" latent präsent ist. Die Präzisierung in Richtung des Gebrauchs des referentiellen Zeichensinns, also in Richtung einer erkennbaren Bezeichnung eines Gegenstands oder eines Motivs "würde den Betrachter in die Welt verweisen und dort in den Weiterverweisungen des Sinnes von Realität verlorengehen" (Niklas Luhmann). Lieber nicht!
Der Betrachter wird durch den Entzug der referentiellen Eindeutigkeit aber in einen Zirkel des Deutens hineingezwungen, weil jedes Element Deutungshilfen nur von den anderen Elementen erhält, die sich wiederum an den übrigen bewähren müßten. Jede Festlegung muß zugunsten weiterer Möglichkeiten immer wieder aufgegeben werden, so daß sich das Tableau in wechselseitig vernetzte Zirkel zerlegt. Das erfordert die Intensivierung der Gedächtnisleistung und detektivische Abduktion.
Die Ornamentalität des Gekrakels kann das Motiv derart überwuchern, daß sinnhaft verständliche und identifizierbare Gebilde nur noch als Hinweis fungieren, daß es auf sie nicht ankommt. Ja das Bildmotiv kann als optische Suggestion aus der Summe des Gekrakels selbst hervorgehen, wie eine Täuschung aus Gestaltzwang. So meint man in Wolken tatsächlich ein Pferd zu sehen oder in Tüchern eine Frau.
Zum Running-Gag werden die ewigen Wanderer, für die Jahreszeit falsch angezogen, stolpernd, in die Luft guckend, mit Instrumenten in den Händen, von denen sie nicht wissen, wie sie an sie gekommen sind, und ob sie womöglich geladen sind, begegnen Tieren aus Haushalt und Zoo. Ohne Ziel, in nur scheinbar biedermeierlichen Landschaften umherirrend, mit kindlichem Staunen, ohne Arg und Wut und Groll, ein Lied auf den Lippen, bei sich auflösenden Größenmaßstäben und irritierendem Unzuverlässigwerden der Perspektivinformation, der eine zu lang, der andere zu kurz geraten, kaum zu definierbarer Gestalt geronnen - sind sie allesamt Sonderlinge aus der Gattung der Rübezahl und Münchhausen, Schlehmil und Anselmus, Däumeling und Rumpelstielzchen - Schauspieler wider Willen, die es auf eine Freilicht-Bühne verschlagen hat, und die wie in einem schlechten Traum, den Text vergessen haben, wenn sie überhaupt je einen hatten. Heroen der Peinlichkeit. Es gibt kein Entkommen.
Bevor wir uns fragen, was haben diese Wanderer eigentlich in diesen Bildern zu suchen, fragen sie sich das selbst. Sie wissen nicht, wie sie hinein gelangt sind und können den Rückweg nicht finden. Die Vögel haben die ausgestreuten Brotkrumen weggepickt. Sie suchen den Ausgang aus dem Bild, aus dieser Welt der sich schämenden Motive, dürfen sich ihre Panik aber nicht anmerken lassen. Sie haben noch Hoffnung, auf ihrer Wanderung an einen Ort zu gelangen, wo die Grenze zwischen Bild und Nichtbild verläuft. Vorerst ist es freilich klug so zu tun, als wären sie in der Bildwelt zuhause. Und bei dem, was ihnen an Überraschendem begegnet, spielt ja Vertrautes immer mit, auch wenn sie nicht sagen könnten, woher ihnen dieses Vertraute vertraut ist. So suchen sie diskret weiter, ein Lied auf den Lippen.
Sie wissen noch nicht, daß man, selbst wenn man die Grenze fände, nach ihrem Überschreiten, jenseits der Grenze, auch nicht weiter käme. Der Bildraum wäre dann nur die andere Seite der anderen Seite. Es wäre nichts gewonnen. Es käme zwar zu einer Wahrnehmung der Kontingenz, die man im operativen Vollzug der Bildwanderung nicht sehen konnte. Es kommt zu einer Wiederbeschreibung des Weges, die kritisch ausfallen könnte und zu Änderungen anregen mag. Aber zu welcher Festlegung man auch immer gelangen würde, sie würde auf der anderen Seite der Unterscheidung einen weiteren unmarkierten Raum, einen weiteren blinden Fleck erzeugen, also die Welt nie erreichen. Die Welt ist gewiß nur in ihrer Unerreichbarkeit und in ihrer Unbeobachtbarkeit. Die Unerreichbarkeit der anderen Seite ist die Bedingung der Existenz der Wanderer und ihrer Landschaften.
 
Gerrit Confurius
 
Peter Duka
 
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